Wie denke ich Standortmarketing zusammen und behalte dennoch als Kommune meine eigene Identität? Prof. Dr. Julia Frohne, Vorsitzende der Geschäftsführung der Business Metropole Ruhr, im Interview.
Es ist wichtig, seine Kompetenzen und Prägungen zu kennen
Frau Prof. Dr. Frohne, wie sieht eine ideale kommunale Standortmarketingwelt aus Ihrer Sicht aus?In einer „idealen“ Welt habe ich die Kommune, die um ihre Stärken weiß und diese in den Fokus ihrer Vermarktung stellt. Dann gibt es eine Regionalmarke wie die Metropole Ruhr, in welche die Stärken der einzelnen Städte und Kreise einzahlen. Mit einem definierten Qualitätsanspruch, den alle erfüllen. Allerdings sind Kommunen kein gewinnorientiertes Unternehmen. Kommunen haben nicht nur einen Standortmarketingauftrag, sondern noch viele andere Aufträge wie zum Beispiel Bildung, Daseinsfürsorge etc.
Was sind die Vorteile der Vermarktung einer Region? Nehmen wir das Ruhrgebiet. Ein Arbeits- und Lebensraum mit 5,1 Millionen Menschen, größer als Deutschlands Hauptstadt Berlin. Eine Region mit einer gemeinsamen Industrievergangenheit und gleichen Werten, zum Beispiel Offenheit gegenüber Kulturen. Unsere Kompetenz zur Wandlungsfähigkeit aus unserer Energietradition heraus, von der Kohle zum Wasserstoff. Hier haben die einzelnen Kommunen unterschiedliche wirtschaftliche Kompetenzprofile, die sich zu einem Ganzen ergänzen. Wir können aufgrund einer Vielzahl an hervorragenden Universitäten und Unternehmen im weltweiten Wettbewerb mitspielen. Wenn wir dieses beachtliche Portfolio als gemeinsamen Wirtschaftsraum vermarkten und uns nicht auf Stadtgrenzen beschränken, wirkt das international. Die Vermarktung einer ganzen Region ist dann besonders effektiv, wenn sie erstens ein gemeinsames Verständnis von ihren Stärken hat und sich zweitens dazu bereit erklärt, diese auch gemeinsam auszuspielen. Dann kann sie sich im nationalen oder – noch notwendiger – im internationalen Wettbewerbsvergleich behaupten.
Mit einem gemeinsamen Vermarktungsclaim wie „The Länd“ oder „Modern denken“? Ein Claim, ein mit Kommune oder Region langfristig verbundener Satz, ist schwierig. Zunächst ist eine Kommune keine Coladose mit einem eindeutigen Leistungsversprechen, sondern muss unterschiedliche Bedürfnisse erfüllen. Eine einzelne Stärke zu nehmen und sich einzuschränken ist schwierig. Ein Beispiel war der Claim der Stadt Karlsruhe „Residenz des Rechts“, weil hier das Bundesverfassungsgericht sitzt. Das wurde der Stadt und ihren wirtschaftlichen Kompetenzen auf Dauer nicht mehr gerecht. „I love Munich“ oder „Be Berlin“ sind dann wieder beliebig. Dazu kommt, dass Claims aufgrund der politischen Prozesse eher kurzlebig sind und wieder verschwinden, bevor man etwas mit ihnen verbindet. Bei ihrer Entwicklung entscheiden außerdem viele Leute mit. Damit entsteht ein Claim oft aus der Innensicht, wie man sich gerne sehen will. Doch die Claim-Beliebtheit bei Kommunen nimmt ab, viele haben keinen mehr. Ich halte es für viel wichtiger, dass Standorte ihren Markenkern kennen, ihre Kompetenzen und Prägungen, wie ich sie für das Ruhrgebiet beschrieben habe.
Standortmarketing ist die Vermarktung von Themen und nicht von Organisationen. Wieso steht auf vielen Websites die Organisation im Vordergrund? Eine Kommune hat erst einmal den Informationsauftrag. Auch eine Wirtschaftsförderung, die mit der Kommune verbunden ist, folgt diesem Informationsauftrag. Es gibt also anders als bei Unternehmen bei einer Kommune eher die Senderorientierung, ohne dass man sich genau überlegt, was will der Kunde eigentlich von mir. Diese Kundenorientierung ist im öffentlichen Sektor lange nicht in der Intensität vorhanden wie in Unternehmen. Das Gleiche gilt für den Kulturbereich, wo man oft mehr auf sein künstlerisches Produkt fokussiert ist als auf den Nutzer.
Wie kann die Organisation, die Themen treibt, dennoch sichtbar werden? Ich halte es für legitim, Menschen nach vorne zu stellen. Es geht um die Generierung von Vertrauen. Ich muss also Ansprechpartner, Personen, die für das Thema stehen, präsentieren. Die Leute suchen Identifikation.
Wobei Menschen auch die Organisation verlassen können. Dann ist die Verbindung mit den Themen weg. Richtig, das ist die Gefahr, wenn Standortmarketing zu sehr mit einer einzelnen Person verbunden ist. Es muss eine gesunde Mischung sein. Das Problem gibt es aber für Unternehmen genauso.
Zu Prof. Dr. Julia Frohne: Prof. Dr. phil. Julia Frohne ist Professorin für Kommunikationsmanagement an der Westfälischen Hochschule. Zuvor hatte sie eine Professur für Wirtschaftspsychologie und Management an der International School of Management in Dortmund inne und leitete dort als Akademische Direktorin das Kienbaum Institut @ ISM für Leadership & Transformation. Nach ihrem Studium der Kommunikationswissenschaften, Psychologie und Jura arbeitete Frau Prof. Dr. Frohne zunächst bei der ZMG Zeitungs Marketing Gesellschaft, Frankfurt, in der Medienforschung und -beratung und promovierte nebenberuflich an der LMU München mit einer empirischen Arbeit über Werbewirkungsforschung. Anschließend war sie zehn Jahre bei dem Prüfungs- und Beratungsunternehmen KPMG tätig, wo sie als Prokuristin verschiedene Funktionen im Marketing, in der Personalentwicklung sowie im Consulting für den öffentlichen Sektor innehatte. Von 2008 bis 2010 war sie zudem als Direktorin Marketing & Kommunikation der RUHR.2010 GmbH in Essen für die strategische Ausrichtung und Planung der Marketingkampagne der Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010 verantwortlich. Seit September 2021 ist Julia Frohne Vorsitzende der Geschäftsführung der Business Metropole Ruhr GmbH.
Zur Business Metropole Ruhr: Die Business Metropole Ruhr GmbH mit Sitz in Essen ist die regionale Wirtschaftsförderung für das Ruhrgebiet. Die Gesellschaft wurde 2007 vom Regionalverband Ruhr (RVR) mit dem Anspruch gegründet, als zentrale Ansprechpartnerin für die Wirtschaftsförderung in der Region zu agieren und Impulsgeber für die vier zugehörigen Kreise und elf kreisfreien Städte zu sein. Die BMR entwickelt und vermarktet den Wirtschaftsstandort Metropole Ruhr und bündelt die wirtschaftlichen Interessen der 53 Städte der Region.