Fördermittel für Kommunen verkommen oft zu Strohfeuern. Zu bürokratisch, zu politisch, zu wenig nachhaltig. Professor René Geißler von der Technischen Universität Wildau in Brandenburg fordert von der nächsten Bundesregierung eine Kehrtwende und mehr Eigenverantwortung auf lokaler Ebene.
Eigenverantwortung statt Förderdschungel
Herr Professor Geissler, wie beurteilen Sie das aktuelle Förderwesen für Kommunen, auch für Wirtschaftsförderung?
Bestehende Förderprogramme haben sechs Nachteile. Diese behindern deren Wirksamkeit, verursachen hohe Transaktionskosten für alle Beteiligten, sind nicht nachhaltig und unflexibel.
- Förderprogramme werden oft ad hoc, nach aktuellen Themen oder Kassenlage, beschlossen. Für die Kommunen und auch die Wirtschaftsförderungen sind die Programme nicht planbar.
- Die Laufzeiten sind begrenzt. Daraus entsteht Zeitdruck. Bei Bund und Ländern liegen oft unrealistische Vorstellungen vor, was Kommunen in welchen Zeiträumen bewegen können. Dazu kommt, dass die mittelfristige Auslastung des Personals aufgrund befristeter Förderprogramme nicht sicher ist und es zu nicht nachhaltigen Strohfeuern kommt.
- Förderprogramme zielen in der Regel auf bestimmte Politikfelder, in denen der Bund Prioritäten sieht. Für die Kommunen entsteht der fiskalische und politische Druck, eigene Entscheidungen an Förderprogrammen, statt an tatsächlichen Bedarfen auszurichten.
- Aufgrund des föderalen Staatsaufbaus fließen Förderprogramme des Bundes über die Länder. Dadurch entsteht ein Förderdschungel, der bei allen Beteiligten Rechtsunsicherheit, Abstimmungsbedarfe und Transaktionskosten erhöht.
- Spiegelbildlich zum Mittelabruf müssen die Kommunen Verwendungsnachweise vorlegen. Je komplizierter die Förderprogramme, desto aufwändiger ist der Nachweis zweckentsprechender Verwendung. Die Folgen sind eine ausufernde Bürokratie in der Abwicklung. Für die Inhalte bleibt viel zu wenig Zeit.
- Zumeist sind Förderprogramme durch Kommunen kofinanziert, auch wenn dies ggf. nur 10 Prozent sind. Kommunen mit Haushaltsproblemen können die Förderprogramme somit nicht nutzen.
Welchen Vorschlag haben Sie?
Ein Investitionsfonds des Bundes schüttet die Mittel über einen Zeitraum von mindestens zehn Jahren in gleichen Jahresraten aus. Zeitdruck in Planung und Umsetzung wird reduziert. Dem Förderzeitraum ist eine Planungsperiode vorgeschaltet, um sicherzustellen, dass die Kommunen über Strategien bzw. Konzepte und umsetzungsreife Projekte verfügt. Zielsetzung ist eine dauerhafte und flächendeckende Niveauverschiebung der kommunalen Investitionen, nicht die kurzfristige Steuerung der Konjunktur.
Wie würden die jährlichen Mittel verteilt werden?
Die jährlichen Mittel werden indikatorbasiert auf die Länder und von diesen auf die Kommunen verteilt. Anträge und Genehmigungen entfallen. Die jährlichen Transfers fließen als investive Schlüsselzuweisungen ohne Zweckbindung. Sie werden zusätzlich zum und unabhängig vom bestehenden kommunalen Finanzausgleich gewährt. Investive Schlüsselzuweisungen stehen ausschließlich für investive Verwendungen zur Verfügung und besitzen den Charakter von Eigenmitteln.
Bund und Länder verzichten auf detaillierte Verwendungsvorgaben und die angesichts lokaler Wirklichkeiten zwangsläufig unvollständige und streitanfällige Auflistung förderfähiger Maßnahmen. Letztlich können nur die Akteure vor Ort beurteilen, welche Themen welche Relevanz besitzen und wie ihnen effektiv zu begegnen ist.
Angenommen eine neue Bundesregierung will das anpacken. Was braucht es dafür?
Es braucht eine erneute Ergänzung des Grundgesetzes und entsprechende Bund-Länder-Staatsverträge. Dieser gesetzgeberische Aufwand ist meines Erachtens angemessen. Zweifellos bedarf es Mut auf Seiten von Bund und Ländern, den Kommunen diese Freiheiten einzuräumen. Ich will nicht verschweigen, dass auch Risiken bestehen: zum Beispiel die Sinnhaftigkeit einiger lokaler Maßnahmen, die Finanzierung der Folgekosten, geringere Kostendisziplin oder die Überforderung der Verwaltungen. Diese Risiken sind aber unvermeidbare Transaktionskosten kommunaler Selbstverwaltung, die auch durch intensivste Bürokratie nicht auszuschließen sind. Ich wünsche mir den Mut für eine wirkliche Änderung!
René Geißler ist Verwaltungswissenschaftler und promovierte mit einer Arbeit zur Haushaltskonsolidierung in Kommunen. Seit 2020 ist er Professor für öffentliche Verwaltung an der Technischen Hochschule Wildau. Dort beschäftigt er sich in erster Linie mit den kommunalen Finanzen und den Finanzbeziehungen im Bundesstaat. Vor dieser Station war René Geißler wissenschaftlicher Mitarbeiter der Hertie School und Experte der Bertelsmann Stiftung.
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