Kundendenken statt Organisationszentrierung

Dr. Thomas Birner, Geschäftsführer, LennardtundBirner GmbH

Angesichts sinkender Budgets und wachsender Herausforderungen stehen Wirtschaftsförderungen unter Druck, effizienter zu arbeiten. LennardtundBirner-Geschäftsführer Dr. Thomas Birner sieht darin auch eine Chance: Durch den Abbau von Doppelstrukturen, den Fokus auf Synergien und die stärkere Ausrichtung auf die tatsächlichen Bedürfnisse von Unternehmen können Wirtschaftsförderungen gestärkt werden.

Herr Dr. Birner, viele Wirtschaftsförderungen beklagen derzeit, dass sie aufgrund der angespannten Haushaltssituationen, selbst in „reichen Kommunen“, mit weniger Geld auskommen müssen. Was bedeutet das Ihrer Meinung nach für die Zukunft der Wirtschaftsförderung?
Dr. Birner: Es ist zweifellos eine herausfordernde Situation. Aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung steigen trotz knapperer Budgets die Anforderung an die Arbeit der Wirtschaftsförderung. Weniger Geld aber mehr Leistung – das ist zunächst ein Widerspruch.  Doch ich sehe darin auch eine Chance. Denn eine ähnliche Herausforderung haben oft auch Unternehmen, die nach einem gelungenen Neuausrichtungsprozess im Wettbewerb oft besser dastehen als zuvor. Weniger Budget zwingt uns dazu, Doppelstrukturen und ineffiziente Prozesse zu hinterfragen und abzubauen. Es geht darum, die richtigen Aufgaben klar zu definieren, Förderungen mit Kennzahlen zu belegen und unnötige Aktivitäten, oft politisch gewollt, zu streichen. Die momentane Situation kann helfen, schlanker, aber auch effektiver zu arbeiten – ein oft notwendiger Schritt, der sonst vielleicht nicht gegangen würde.

Wen betrifft diese Problematik konkret?
Betroffen sind eine Vielzahl von Akteuren, die auf unterschiedlichen Ebenen Wirtschaftsförderung betreiben: städtische und Kreiswirtschaftsförderungen, regionale Organisationen, Kammern, Tourismusorganisationen, Stadtentwickler, Citymanager, Veranstaltungsorganisationen und auch spezialisierte Stabsstellen. Oft verfolgen diese Akteure ähnliche Ziele ohne ausreichende Abstimmung. Das führt zu redundanten Strukturen, einer Verschwendung von Ressourcen und letztlich zu weniger Effizienz und weniger Zufriedenheit.

Können Sie konkrete Beispiele aus Ihrer Praxis nennen?
In der Praxis begegnen uns zahlreiche Beispiele für ineffiziente Strukturen. Nehmen wir die Zusammenarbeit von Stadt- und Kreiswirtschaftsförderungen. Es ist erstaunlich, wie wenig man oft voneinander weiß, obwohl beide oft an ähnlichen Projekten arbeiten. Es ist auch nicht sinnvoll, dass alle das „gleiche“ Angebot anbieten. Die Unterstützung bei Fördermitteln ist beispielsweise ein so spezielles Thema, dass es keinen Sinn macht und auch nicht möglich ist, dass mehrere Institutionen in einem Landkreis einen hochprofessionellen Service anbieten. Und damit meine ich nicht, das eine Organisation die Informationssammlung der anderen teilt. Es ist wesentlich wirksamer, wenn durch eine Organisation ein professioneller Service für alle bereitgestellt wird und Partner sich arbeitsteilig um speziellere Themen kümmern, wie z.B. ein spezifisches Innovationsprojekt. Wir gestalten solche Strukturen in unseren Landkreisstrategien.

Ein weiteres Beispiel sind überlappende Angebote zwischen Wirtschaftsförderungen und Tourismusorganisationen. Auch parallele Unternehmensnetzwerke ohne gemeinsame Strategie finden wir häufig vor. Ein besonders auffälliges Beispiel ist das Standortmarketing: Hier arbeiten Kommunen und Regionen oft nebeneinanderher, anstatt ihre Kräfte zu bündeln. Das widerspricht sich manchmal sogar und zerstört das Markenbild. Bei der Ansiedlungspolitik erleben wir ebenfalls unklare Prozesse, die von der Landesebene bis zur Kommune nicht abgestimmt sind. All diese Doppelarbeiten verbrauchen wertvolle Ressourcen, gerade in Zeiten, in denen der Fachkräftemangel allgegenwärtig ist. Noch schlimmer: Oft tauchen verschiedene Ansprechpartner zu den gleichen Themen bei Unternehmen auf. Eine Tatsache, die schlechte Qualität in den Prozessen signalisiert und die Unternehmen eher verwirrt als unterstützt.

Was ist Ihrer Meinung nach der Hauptgrund?
Ein zentraler Grund ist, dass oft in politischen und organisatorischen Zuständigkeiten gedacht wird, anstatt aus der Perspektive der Zielgruppe. Der Kunde, also das Unternehmen, sollte im Mittelpunkt stehen. Idealerweise müsste man ihn „aus einer Hand“ betreuen, schnell und effektiv. Leider spiegelt sich das nicht in der Realität wider. Das zeigt auch eine Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) aus dem Jahr 2023. Unternehmen geben der Effizienz der Behörden die Note 5, bei den bürokratischen Auflagen sogar eine 5,2. Zudem haben sich in den letzten Jahren Strukturen etabliert, die aus Förderprojekten oder Sonderthemen entstanden sind. Diese führen häufig zu einer Verfestigung von Doppelstrukturen, da die Projekte gar nicht auf nachhaltige Zusammenarbeit angelegt sind, sondern auf eine Alleinsichtbarkeit des Förderprogrammes. Auch dort stehen häufig nicht der Zweck und der Nutzen im Vordergrund, sondern die Institutionen und das Förderprogramm mit seiner politischen Agenda.
Hinzu kommt, dass Prozesse sehr oft nicht klar formuliert und mit Kennzahlen hinterlegt sind. Auch das hat unsere aktuelle Studie zur Unternehmensbetreuung bestätigt. Das äußert sich z.B. in unseren Beobachtungen, dass man Plattformen für bestimmte Themen schafft, (z.B. Fachkräfte), es aber keine Zahlen zu Besucherverkehren, Verweildauern usw. gibt Man merkt gar nicht, dass die hochgelobte und mit viel Aufwand betriebene Plattform bei der Zielgruppe nicht bekannt ist und nicht genutzt wird. Oft wird die Plattform dann mit noch mehr Aufwand beworben, der Grund für die Nichtnutzung aber nicht analysiert.

Was sollte Ihrer Meinung nach unternommen werden, um diese Probleme anzugehen?
Unser Ansatz bei LennardtundBirner basiert immer auf einer interdisziplinären Ressourcenplanung. Wir betrachten Wirtschaftsförderung nicht isoliert, sondern im Kontext eines gesamten Netzwerks von Akteuren. Ein wichtiger Schritt ist es, Synergien zu identifizieren und erst dann über Personalaufbau nachzudenken. Kommunen, die interkommunal und sogar überregional zusammenarbeiten, haben hier enorme Chancen. Natürlich erfordert es Mut und Durchhaltevermögen. Deswegen empfehlen wir eine klare Strategie, die auf belastbaren Fakten basiert und von allen Beteiligten getragen wird. Städte und Regionen, die sich nicht regelmäßig evaluieren und ihre Strukturen anpassen, werden es im Wettbewerb um Unternehmen und Gewerbesteuereinnahmen sehr schwer haben. Die Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Zielgruppe muss dabei vor institutionellen und organisationszentrierten Überlegungen und Vorgaben stehen. Sie ist die Basis für die Gestaltung von Strukturen.

Das klingt nach einem umfangreichen Transformationsprozess. Gibt es bereits Best Practices, die zeigen, dass dieser Ansatz funktioniert?
Absolut, es gibt bereits Kommunen und Regionen, die diesen Weg erfolgreich beschreiten. In unseren Kundenstimmen kommen sie zu Wort. Es lohnt sich, sie zu ihren Erfahrungen zu befragen.

>>Unser Angebot zu Standortstrategien