Herr Birner, Energiesparen ist nicht erst seit der Ukraine-Krise ein Thema, das die Unternehmen bewegt.
Ja, denn Unternehmen benötigen sehr viel Energie. Produktionsbetriebe mit starkem Wärme- oder Strombedarf liegen oft im Bereich des Verbrauches kleinerer Städte, solche mit sehr hohem Wärmebedarf oft in dem von größeren Städten. Energiebedarfe im MWh-Bereich sind keine Seltenheit. Obendrein benötigen solche Unternehmen diese Energiemengen oft 24 Stunden über sieben Tage die Woche. Aber auch Unternehmen mit einem deutlich kleineren Energiebedarf sind nicht zu vernachlässigen. Diese benötigen die Energie konstant und zuverlässig, wenn auch nicht immer nachts und am Wochenende.
Daher sind Unternehmen per se stark an einer Reduzierung der benötigten Energiemengen interessiert und investieren permanent in die Einsparung von Energie und Materialverbrauch. Im Vergleich zum Verkehr und den privaten Haushalten nimmt der Energieverbrauch in Unternehmen daher stetig ab – und das trotz höherer Produktivität. Dennoch beschränken sich die bisherigen Aktivitäten von Unternehmen, erneuerbare Energie aus selbst erzeugtem Strom, Einkauf von Biogas, Kraft-Wärmekopplung oder ähnlichem zu decken, meist auf eine Deckung der Grundlast. Und das sind meist unter zehn Prozent ihres Gesamtenergieverbrauchs. Noch ist man von einer Lösung hin zu weitgehend auf erneuerbaren Energien aufbauenden Gewerbegebieten und vor Ort produzierter Energie weit entfernt.
Gibt es dennoch Lösungswege?
Ja. Zum einen bestehen erhebliche Flächenpotentiale auf Dächern, großen fensterlosen Fassaden, Park- und Logistikflächen, aber auch den Freiflächen (und Reserveflächen der Unternehmen) zwischen den Gebäuden. Bevor Kommunen Freiflächenphotovoltaikanlagen auf landwirtschaftlichen Flächen genehmigen, sollten sie ihre Gewerbegebiete betrachten. Wenn wir in Deutschland Gewerbeflächenkonzepte entwickeln, sehen wir im Altbestand sehr viele leere Dachflächen in Gewerbe- und Industriegebieten. Ich rate Wirtschaftsförderern, sich im Internet die Luftbilder ihrer Gewerbegebiete anzusehen.
Natürlich sind nicht alle Dachflächen wegen statischer Probleme geeignet. PV-Anlagenbauer sprechen von etwa einem Drittel. Aber zwei Drittel der industriellen Dachflächen bedeutet in großen Industrie- und Gewerbegebieten Flächen ein enormes Potential.
Die vielen fensterlosen Fassaden größerer Betriebsgebäude in Ost-, Süd- und Westausrichtung bieten weitere Möglichkeiten. Sie bringen zwar keinen maximalen Ertrag in den Mittagszeiten der Sommermonate, dafür aber mehr Angebot in den Randzeiten.
Aber es gibt auch Freiflächen in Gewerbegebieten.
Große Park- und Logistikflächen sind natürlich nicht so leicht überdachbar, um dort PV-Anlagen zu installieren. Hier sind große drehbare Solarfelder, die mit dem Sonnenstand mitgeführt werden, eine sehr gute Lösung.
Welche Möglichkeiten gibt es noch?
In größeren Gewerbe- und Industriegebieten plädieren wir für die Prüfung von Windkraftanlagen. Oft bestehen hier ausreichende Abstandsflächen zur Wohnbebauung und es gibt viel weniger öffentliche Diskussion. Für mit solchen Anlagen produziertem Strom werden intelligente Lösungen zur Speicherung und Verwendung benötigt. Das beginnt mit einer intelligenten Sektorkopplung innerhalb des Gebietes, im Rahmen derer Energieproduktion und -verbrauch verschiedener Unternehmen (auch Abwärme) gekoppelt werden und endet mit einer Speicherung von Energie in Form von Power to X (Wasserstoff, Methan usw.) oder eFuels, in Batterien oder Prozesswärmespeichern.
Erforderlich sind dafür Energieversorgungsanbieter vor Ort, die solche Sektorkopplungen vorzunehmen. Sie müssen in der Lage sein, entsprechende Modellierungen der Produktion des Bedarfes und des Verbrauches mit den entsprechenden sensiblen Daten und der Speicherung vorzunehmen. Das sind auch sehr interessante zukünftige Geschäftsmodelle für regionale Energieversorger.
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